Zu
Besuch bei guten Schulen
Wie die Oscar-Kjellberg-Oberschule in
Finsterwalde ihre Schülerinnen und Schüler aufs Leben vorbereitet
Heute sind Lehrkräfte, Schulleitungen und Ganztagsverantwortliche
aus der Regionalstelle Cottbus des Landesamtes für Schule und Lehrerbildung zu
Besuch bei der Oscar-Kjellberg-Oberschule
Finsterwalde, um sich Einblicke in gute Praxis zu verschaffen. Mit dazu gesellt
sich der Leiter des Jugendamts Elbe-Elster, Jens Scheithauer. Organisiert wird
die Hospitation von der Serviceagentur Ganztag Brandenburg, die in Gestalt von
Andreas Koschwitz-Haack gemeinsam mit der Schulleitung durch den Tag führt.
„Wir sind vor 11 Jahren angetreten, den Austausch im Ganztag zu verbessern.
Dabei bieten Hospitationen eine hervorragende Möglichkeit, sich zu vernetzen
und gute Beispiele auszutauschen“, erklärt Koschwitz-Haack den Zweck der
Veranstaltung. Die 273 Schülerinnen und Schüler der Oscar-Kjellberg-Oberschule
sind Zuschauer gewöhnt. Auf Austausch wird hier viel Wert gelegt, kollegiale Unterrichtsbesuche
gehören zur Tagesordnung.
Elite-Unterricht
für normal begabte Schüler
Schulleiterin Cornelia Warsönke gibt
eine Einführung in das Profil der Schule: „Unser Konzept ruht auf drei
Pfeilern: Unterricht, Ganztag, Berufsorientierung“, erklärt sie. Beim
Unterricht gibt es zwei Besonderheiten: Das Fach Gesellschaftslehre wird
integrativ unterrichtet, dabei haben die Schülerinnen und Schüler die
Möglichkeit am bilingualen Unterricht von der 7. bis zur 10. Klasse
teilzunehmen. Dazu wird die Klasse in drei Gruppen geteilt, zwei erhalten
normalen Unterricht, eine bilingualen. Der vermittelte Lernstoff ist gleich, so
dass ein Wechsel möglich ist. Bewertet werden ausschließlich das Wissen und die
Fähigkeiten im Fach Gesellschaftslehre. Die Lehrkräfte sprechen nach
Möglichkeit englisch. Die Kinder haben jederzeit die Möglichkeit, auf Deutsch
Fragen zu stellen oder zu antworten. Sie erhalten zusätzlich eine Stunde im
Ganztag, in der die fachlichen Englischkenntnisse vermittelt werden. Das Modell
setzt Lehrkräfte mit der Fächerkombination Englisch und Geschichte voraus. Sie
waren es auch, die in Finsterwalde die Idee dazu hatten.
Frau Warsönke steht hinter ihnen: „Ich
bin jedes Jahr bei den Abschlussprüfungen in Englisch dabei und ich muss Ihnen
sagen: Man merkt den Fortschritt. Ich bin begeistert, wie die Jugendlichen
umsetzen, was sie in vier Jahren gelernt haben.“ Auch die Besucherinnen und
Besucher überzeugt der bilinguale Unterricht, an dem sie teilnehmen: „Die
Kollegin hat mit dem englischsprachigen und dem deutschsprachigen
Geschichtsbuch gearbeitet, das hat uns gut gefallen. Wir dachten erst, dass
sich im bilingualen Unterricht die Elite sammelt, aber das hat sich nicht
bewahrheitet. Es sind auch Schüler mit Englischnote Drei oder Vier dabei“, hat
ein Schulleiter beobachtet. Andreas Koschwitz-Haack ergänzt: „Für das spätere
Berufsleben ist es ein großer Vorteil für die Schülerinnen und Schüler! Es sind
einfach mal vier Stunden mehr, die sie englisch hören und sprechen“. Frau Warsönke räumt ein, dass es kein leichter Weg war, bis sie
die Idee umgesetzt hatten. „Auch das Konzept zu schreiben, war äußerst
schwierig. Nicht weil wir’s nicht können, sondern weil wir so einen kritischen
Schulrat haben“, so Warsönke. Manchmal braucht es
eben Kreativität im Umgang mit Verwaltungsvorschriften.
Flexibel
und kreativ im Ganztag
Der Ganztag findet an der Oscar-Kjellberg-Oberschule
dienstags, mittwochs und donnerstags statt und umfasst acht Zeitstunden. „Wir
geben uns ganz große Mühe, die individuellen Angebote zusammenzustellen“,
berichtet die für den Ganztag verantwortliche Frau Richter. Bilingualer
Unterricht und Förderunterricht in den Hauptfächern werden ergänzt durch
individuelle Lernzeitangebote wie zum Beispiel Lernen am Computer, Fußball oder
Chemie. Beim Kooperationspartner „Entwicklungsgesellschaft Energiepark
Lausitz-GmbH“ (EEPL) können die Jugendlichen im Fach „Kreatives Gestalten“
zwischen Bau, Metall, Holz oder Medien wählen. „Es passiert auch, das wir uns viel Mühe machen und tolle Angebote erstellen und
dann kommen die überhaupt nicht an bei den Schülerinnen und Schülern“, gesteht
Frau Richter und fährt fort: „Dann switchen wir um,
dabei sind unsere Kollegen sehr flexibel.“ Überhaupt scheint „kreativ und
flexibel“ Frau Richters Motto zu sein. Wenn sich Pflicht- und Kürangebote
überschneiden, findet sie eine Lösung für die betroffenen Schülerinnen und
Schüler. Wenn die Nachfrage für den Förderunterricht versiegt, wird er
zeitweilig mit der Lesegruppe zusammengelegt. Frau Richter weiß genau, dass er
spätestens nach dem Elternsprechtag wieder stark nachgefragt sein wird.
Entspannt
in den Nachmittag
Eine Herausforderung war das Mittagsband. Nach dem Ausprobieren
einiger Varianten hat sich eine bewährt. Frau Richter erklärt: „13.10 Uhr endet die 6. Unterrichtsstunde,
dann begeben sich alle Schülerinnen und Schüler zu einem ihrer Klassenleiter.
Dort werden organisatorische Dinge besprochen und einige Gruppen gehen mit dem
Klassenleiter essen. Ab 13.30 Uhr begeben sich die Schüler in ihre Angebote,
dort setzen sie ihr Mittagsband fort, entspannen sich, essen Mittag und um
14.15 beginnt die Arbeit in den einzelnen Angeboten.“ Der Vorteil: Es essen
nicht alle gleichzeitig zu Mittag, die Schülerinnen und Schüler sind in
kleinen, vertrauten Gruppen und eine Lehrkraft hat die Aufsicht.
Über die Berufsorientierung informiert Herr Lehmann. Die Besucher
verstehen es langsam: Für jeden Bereich gibt es hier einen Verantwortlichen,
der sich dafür begeistert. „Bei uns gibt es kaum Schülerinnen und Schüler, die
am Ende ihrer Schulzeit keinen Ausbildungsplatz haben. Aber wir tun auch etwas
dafür mit einer Vielzahl von Maßnahmen“, berichtet Herr Lehmann nicht ohne
Stolz. Der Erfolg gibt den Bemühungen Recht: Bereits zum wiederholten Male
trägt die Oberschule den Titel: „Schule mit hervorragender Berufsorientierung“.
Sie beginnt in Klasse 7 mit „Komm auf Tour“, wobei Berufe in der Region
vorgestellt werden. Als Highlight in Klasse 7 hat sich die Potenzialanalyse
erwiesen. Bei den Schülerinnen und Schülern ist sie beliebt, weil kein Lehrer
hinter ihnen steht, wenn sie sich in den Berufsfeldern Holz, Metall,
Kunststoff, Hotel- und Gaststättenwesen, Gesundheitswesen, KFZ, Verwaltung und
Kreativarbeit erproben. Den Eltern gefällt, dass sie anschließend von den
Betreuern über die Stärken ihres Kindes informiert werden.
Kooperationspartner
machen lassen, was Schule nicht kann
„Uns geht es darum, den Jugendlichen auch Bereiche zu zeigen, die
wir hier in der Schule nicht vermitteln können“, erklärt Herr Lehmann. Dazu
kooperiert die Schule mit Betrieben der Umgebung, mit dem TÜV, der Wirtschaftsförderungs-
und Qualifizierungsgesellschaft mbH Lauchhammer (WEQUA) und FAW
(Fortbildungsakademie der Wirtschaft). Die Berufsberaterin der Arbeitsagentur,
Frau Görisch, gehört schon fast zur Schule. Sie ist
fest in den Unterricht eingebunden, berät zur Berufswahl, macht Bewerbungstests
und übt mit den Jugendlichen Vorstellungsgespräche. Da es in Finsterwalde zwar
für viele, aber nicht für alle Berufe Praktikums- und Lehrstellen gibt, können
Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse auch in Dresden oder Leipzig ein
Praktikum machen und werden dann telefonisch betreut.
Die Hospitierenden sind begeistert. Eine Kollegin sagt: „Ich bin zwar nicht die Lehrerin für
Wirtschaft-Arbeit-Technik, aber ich mache die Bewerbungstrainings und ich nehme
hier alles auf, auch für meine Kollegin, die WAT unterrichtet.“ Auch Jens
Scheithauer ist schwer angetan: „Ich bin total begeistert. Sie haben einen
idealtypischen Weg für Schülerinnen und Schüler in das Berufsleben entwickelt.“
„Man muss es mal gesehen haben“, beschließt Herr Lehmann die
Informationsstunde.
Klare
Ansagen, klare Strukturen...
Die Besucherinnen und Besucher haben einige Fragen. „Wo kommt das
Geld für das Material her“, will eine Kollegin wissen. „Unser
Kooperationspartner EEPL stellt das Material und hat sich dafür Sponsoren
gesucht“, erklärt Frau Richter. Und Frau Warsönke
ergänzt für die schulinternen AGs: „Ich habe eine ganz engagierte
Schulsachbearbeiterin, die sorgt dafür, dass die Mittel, die wir bekommen, auch
ausgegeben werden. Sie macht sich auch die Mühe, den Lehrkräften Kleinbeträge
zu erstatten. Das macht zwar auch mir mehr Arbeit, aber das ist es wert“. Eine
andere Ressourcenfrage ist die nach den Lehrerwochenstunden, die in die
Organisation des Ganztags fließen (dürfen). In der Oscar-Kjellberg-Oberschule
sind es zwei Abminderungsstunden, die die
Ganztagsverantwortliche erhält.
Den Besuchern, die im WAT-Unterricht hospitierten, fiel auf, wie
selbstständig und diszipliniert die Schülerinnen und Schüler arbeiteten,
inklusive der drei Integrationsschüler in der Gruppe von 11 Mädchen und Jungen,
die von einer Lehrerin begleitet wird. Weil die Integration von Schülern mit
besonderen Bedarfen für viele Schulen ein Thema ist, entwickelt sich eine Diskussion
darüber. Frau Warsönke berichtet von ihren
Erfahrungen: „Das war ein Lernprozess unter Kolleginnen und Kollegen. Am Anfang
haben wir uns aufgeregt, weil man an sich selbst verzweifelt, wenn nichts
angenommen wird. Wir mussten lernen, dass es nichts mit uns zu tun hat und wir
trotzdem versuchen, etwas anzubieten, womit die Kinder etwas anfangen können.
Oberschüler brauchen klare Ansagen und klare Strukturen – das machen wir immer
am Anfang des Schuljahres und das ist der Kollegin einfach fabelhaft gelungen“.
Die Besucher der Chemie-AG berichten von dem berufsorientierenden
Unterricht mit ganz besonderen Experimenten. Die dafür verantwortliche
Lehrerin, Frau Kuhns, arbeitet eng mit der Hochschule Lausitz zusammen und ist
stolz darauf, dass einige ihrer Schützlinge heute als Arzt oder Apotheker tätig
sind.
...
und dann einfach mal loslassen, damit es läuft
Und was sagen die Mädchen und Jungen über ihre Schule? In der
Holzwerkstatt treffen wir Lukas (15). Er weiß jetzt schon, dass er Landwirt wird
und hat bereits eine Ausbildungsstelle im Blick. Lukas meint: „Mir gefällt der
Wirtschaftsunterricht sehr gut, weil wir hier sehr selbstständig arbeiten.“
Neben ihm baut Alexandra (15) an einem Vogelhäuschen. Sie weiß noch nicht, was
sie mal werden will. Der Unterricht gefällt ihr ebenfalls gut. „Es gibt
Momente, wo es echt schwer ist, aber es läuft“, berichtet Alexandra über ihr
Vogelhausprojekt.
In der Kreativ-AG treffen wir Mädchen der 7. und 8. Klasse. Sie
finden es toll, dass sie ihre Projekte selbst bestimmen dürfen. Dann stürmen
sie nach draußen. Frau Warsönke schaut ihnen lächelnd
hinterher und sagt: „Wenn sie selbst entscheiden dürfen, wann sie rausgehen
können, kommen sie auch von alleine wieder herein.“
Nach einem letzten Rundgang durch die Schule, wo wir in die
Theater-AG, in den Jugendclub, in den Sportunterricht und – im wahrsten Sinne
des Wortes – in den Schulzoo schnuppern, ist auch für
uns der Schultag zu Ende. Der entspannte Umgang von Lehrenden und Lernenden
miteinander bleibt als Eindruck bestehen. Alle, die wir heute getroffen haben,
haben uns das Gefühl gegeben, dass sie das, was sie tun, einfach gerne tun.